Das entstehende Hausprojekt Kumi*13 in seiner Bewohnerschaft auch international und multikulturell aufzustellen war schon in den ersten Projektjahren ein latenter Wunsch der Kumi-Gruppe. Angesichts der bevorstehenden Aufgabe aber eine durch ein Wohnhaus wandernde Baustelle in einer noch zu erlernenden basisdemokratischen Selbstverwaltungsstruktur und mit extrem hohem Belastungspotential für alle Beteiligten, hatten andere Kriterien bei der ersten Gruppenerweiterung im Jahr 2019 noch überwogen. In der Folgezeit aber tauchte in zahlreichen Selbstreflektionen und internen Debatten der Kumi-Gruppe der Wunsch nach mehr gelebter Weltoffenheit des Hauses und einer mehr auch internationalorientierten solidarischen Verantwortungsübernahme stets wiederkehrend auf. So war es ein Glücksfall für die Kumi*13 von Bea Fünfrocken und ihrer Arbeit zu erfahren, Wohnraum für Geflüchtete in Gemeinschaftsprojekten zu erfahren. Bea arbeitet für den Verein XENION – psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte und engagiert sich für Menschen mit Fluchterfahrung Wohnraum in gemeinschaftlichen Wohnprojekten zu organisieren.
Nach intensiven, offenen Gesprächen mit Bea über alle aufgekommenen Fragen, entschied die Kumi-Gruppe einstimmig, dass eine 100qm Wohnung in Kooperation mit XENION vergeben werden soll. Am 1. November 2021 wurde ein entsprechender Kooperationsvertrag unterzeichnet. Mittlerweile sind es zwei Wohnungen, die mit Unterstützung von XENION von uns vergeben wurden. Gewonnen als neue Gruppenmitglieder und Bewohner:innen haben wir so Karima und ihre Töchter Hila, Muska und Orzala aus Afghanistan wie auch Habibata, Mamadou und Tochter Binta aus Guinea. In Folge diesen ersten Schritt mit gemeinsam mit XENION zu gehen, haben wir eine weitere Wohnung ohne XENION an Josef aus Ghana vergeben. Und heute sind wir froh, sie alle als gleichberechtigte und gleichverantwortliche „Kuministas“ gewonnen zu haben und freuen uns mit Ihnen gemeinsam die Zukunft des Hauses zu gestalten.
Interessierte am gemeinschaftlichen Wohnen und Hausprojekten, Mieter:innen aus von Inverstoren bedrängten Häusern wenden sich seit Jahren an die ehrenamtlich arbeitende Regionalberatung des Mietshäuser Syndikat Berlin-Brandenburg. Die Berater:innen widmen den zahlreichen Anfragen je anderthalb Stunden für ein intensives Gespräch ihrer Anliegen. Besprochen werden können u.a. das Modell des Mietshäuser Syndikats, Finanzpläne für eine Immobilienübernahme, Gruppenprozesse und Konfliktsituationen, rechtliche Aspekte und Vernetzungsmöglichkeiten in der Mieter:innenbewegung. In einer Beratung offengebliebene Fragen werden gerne auch einmal in dem bundesweiten Netzwerk des Syndikats von gemeinwohlorientierten Immobilienexpert:innen weiterrecherchiert, wenn sie eine entsprechende Relevanz für die Initiativen und Berater:innen haben. Also keine falsche Scheu, kommt mit Euren Anliegen und Fragen bei uns vorbei …
An den folgenden Terminen finden Beratungen des Mietshäuser Syndikats Berlin-Brandenburg vor Ort in der Kumi*13, Kurmärkische Str. 13 statt. Anmeldungen müssen per Email über berlin-brandenburg@syndikat.org erfolgen:
Freitag, den 5. Januar 2024 16.30 – 18.00 Uhr
Freitag, den 1. März 2024 16.30 – 18.00 Uhr
Freitag, den 3. Mai 2024 16.30 – 18.00 Uhr
Freitag, den 5. Juli 2024 16.30 – 18.00 Uhr
Weitere Beratungen finden 2024 in einem Hausprojekt in Lichtenberg oder auch Online statt. Mehr Informationen zur Regionalberatung und unserer Beratungshaltung findet Ihr über die folgenden Links:
Am 5. Oktober besuchten uns während der internationalen Tagung des NETCO-Netzwerks („Network of Cities for Collaborative Housing“) eine Gruppe von 30 Personen der städtischen Verwaltungen aus Lubljana, Zagreb, Bologna, Narrava, Barcelona, Amsterdam u. a. internationalen Städten. Das Netzwerk will im Bereich des kollaborativen Wohnens das Peer-Learning von Mitarbeitern städtischer Administrationen von und mit Praktikern aus der Zivilgesellschaft fördern. Das Hausprojekt Kumi*13 und dessen Verein A.U.T.O. hatte die Ehre neben dem Haus der Statistik am Alexanderplatz und dem Kreuzberger Rathaus Block eine Destination dieser munizipalistischen Expert:innengruppe zu sein. Das Interesse am Modell des Mietshäuser Syndikats und an der baulichen wie auch der strukturellen und sozialen Entwicklung der Kumi*13 war groß und die Reaktionen der Gäste auf unsere Inputs und Führung nahezu überschwänglich positiv, ohne dabei auch kritische Fragen außen vor zu lassen. Visitenkarten wurden getauscht und möglicherweise internationale Kontakte geknüpft zu Personen, die in ihren Städten und Verwaltungen Projekte des gemeinschaftlichen, selbstverwalteten Wohnens und der „housing commons“ fördern wollen. Yes, let it grow!
„Vielen Dank für eure Tour! Eure Führung kam sehr gut an, alle waren total begeistert von KUMI*13. Es wurde später noch mehrfach erwähnt, als es darum ging was alle NETCO Teilnehmenden gerne an Wissen wieder mit nachhause nehmen.“
Ein Freudentag! Heute mag es sich sicherlich Keiner von uns mehr anders vorstellen. Am 26. März 2023 wurden Habibata, Mamadou, Karima und Josef auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit einem einstimmigen Votum der Gruppe als gleichberechtigte Mitglieder in den Hausverein Kumi*13 aufgenommen. Die Vorfreude mit Ihnen und den Kindern Hila, Muska, Orzala und Binta bald gemeinsam unter einem Dach zu leben ist groß. Uns wurde an diesem Tag nochmals deutlich, welch ein besonderen und wunderbaren Vorteil ein durch seine Mieter:innen selbstverwaltetes Wohnhaus wie die Kumi*13 uns allen bieten kann. Wenn wir uns einig sind und einig bleiben, dann können wir Räume für ungeahnte Möglichkeiten schaffen und außergewöhnliche, aber wichtige wie auch beispielshafte Sachverhalte als Hausgemeinschaft durchsetzen und realisieren. Und: Wer das Richtige tut, darf sich selbst auch einmal einen Beifall klatschen, oder etwa nicht? Well done, Kumi*13!
Mitte Oktober hisste die Kumi*13 die große lilagelbe Flagge zur Begrüßung der Fahrraddemo „Pedale gegen Profite“ von „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Mit dieser mobilen lautstarken Intervention in den Straßen von Schöneberg und Tempelhof sollte die Berliner Politik daran erinnert werden, dass der Volksentscheid aus dem Jahre 2021 und das starke Votum der Berliner Bürger:innen nicht vergessen ist. 59,1 Prozent hatten sich eine Vergesellschaftung großer Wohnungsimmobilien ausgesprochen. Momentan tagt nun ein Expert:innen-Ausschuss, der aber von Beginn bei der zivilgesellschaftlichen Initiative und ihres aktiven Unterstützerumfelds im Verdacht steht, die Intention der „Vergesellschaftung“ durch zeitliche Verzögerungen und unnötig überbordende Fragestellungen bei den Bürger:innen vergessen zu machen und ab zu moderieren.
Startpunkt der Tour durch Schöneberg war die Zwölf-Apostel-Kirche unweit der Kumi*13. Wir waren eingeladen unser Hausprojekt als ein gelungenes Beispiel der Vergesellschaftung vorzustellen. Franz berichtete den zahlreichen Demo-Teilnehmer:innen vom Kauf und die Überführung der Immobilie in ein Gemeingut in Selbstverwaltung seiner Mieter:innen innerhalb eines bundesweit solidarischen Verbund von Hausprojekten des Mietshäuser Syndikats. Besonders die Erläuterung, dass die Miethöhen ohne Renditeabsichten von den Mieter:innen mitbestimmt werden und dass die Immobilie durch eine verschiedene Rechtskörper miteinanderverknüpfende GmbH-Konstruktion den Wiederverkauf tatsächlich ausgeschlossen ist, erntete Beifall und Sympathiebekundungen.
Mit dem Beifall für unser Hausprojekt startete dann die Tour durch unseren Bezirk mit Zielpunkt am Tempelhofer Feld. Beifall den wir auch gerne zurückgeben an die Initiative. Nicht zum Ersten und nicht zum Letzten Mal haben wir für DW enteignen! unser Haus mit lilagelben Flaggen geschmückt. Volksentscheid umsetzen, JETZT!
Die seit vielen Jahren in der Berliner Mieter:innen-Bewegung engagierten Journalisten Matthias Coers (Zwei Schritte vor, einen zurück) und Peter Nowak (Webseite) organisierten Ende September im Rahmen des BÖLL-Bildungswerks den Ratschlag „Wie weiter mit der Berliner Mieter:innen-Bewegung“. Eine Gelegenheit für den vernetzenden Austausch unter den Initiativen, aber auch für eine kritische Reflektion über das eigene Handeln. Die Kumi*13 war auch dabei …
So wurden für die Besucher:innen interessante Innen- und Außenperspektiven sehr unterschiedlicher Initiativen wahrnehmbar. Die Friedrichshainer Anwohner-Initiative „Wem gehört der Lasker-Kiez?“ setzt sich die massiven Investoren-Planungen und die einhergehenden Verdrängungsprozesse, insbesondere der letzten subkulturellen Orte, rund um den S-Bahnhof Ost-Kreuz“ ein. Die basisdemokratische Initiative „#Stop Heimstadten“ organisiert den Mieter:innen-Widerstand gegen die schwedische Heimstadten AB, die in den letzten Monaten mehr als 140 Häuser mit knapp 4.000 Wohnungen als Anlage für Rendite erworben hat. Kisch & Co, berlinweit bekannte Buchhandlung aus der Kreuzberger Oranienstraße, berichtete von den Ups and Downs in den Verhandlungs-prozessen gegen ihre Verdrängung, von den Mut machenden Mobiliiserungen aus dem Kiez für den Erhalt ihres Standorts und den deprimierenden Rechten von Mietern mit Gewerbemietverträgen. Philipp Möller von der Berliner MieterGemeinschaft (BMGEV) und dem MieterEcho stellte das Grundsatz-Papier der „Initiative neuer kommunaler Wohnungsbau“ vor. Zentrale Forderung: Ein nachhaltiger, öffentlich finanzierter Wohnungsbau muss Wohnraum schaffen, der dauerhaft im öffentlichen Eigentum verbleibt und so bezahlbare Mieten garantiert und eine politische Regulierung des Wohnungsmarkts ermöglicht.
In diesem anregend diskursivem Rahmen konnten Toni und Holger das Modell des Mietshäuser Syndikats erläutern und unser Hausprojekt in „Gemeineigentum und Selbstverwaltung“, unsere Geschichte und Erfahrungen – auch in dialektischer Reflektion von Vor- und Nachteilen – vorstellen. Auch wenn die Lösung der Wohnungsfrage nicht durch den Selbstorganisations-Ansatz des Mietshäuser Syndikats zu erwarten sein wird, nicht zuletzt weil auch der persönliche Zeit- und Arbeitsaufwand für ein Projektaufbau sehr hoch ist, so hat auch diese Tagung unsere Erfahrung erneut bestätigt. Eine „Geschichte des Gelingens“ verbreitet Euphorie, macht Mut für Mobilisierung auch an anderen Orten. In diesem Sinne würdigte in einem Tage später eingehenden Feedback eine Teilnehmerin aus dem Publikum die Kumi*13 mit einem persönlichen Direktkredit.
Mitte September organisierten wir mit der Bürgerdeputierten Elisabeth Voss den Kiezspaziergang „Das andere Schöneberg – von links und unten“. Für die Kumi*13 und dem Verein A.U.T.O. eine tolle Chance sich Anderen vorzustellen und neue Bekanntschaften mit anderen Hausprojekten oder widerständigen Mieter:innen-Gemeinschaften zu machen. An die 30 Gäste besuchten uns an diesem Spätsommernachmittag. Wir stellten ihnen unsere kurze, aber wundersame Projektgeschichte vor, das Modell des Mietshäuser Syndikats und unserem Wunsch mit dem Verein A.U.T.O und der Halle als gestaltbaren Möglichkeitsraum eine kooperative, nachbarschaftliche Netzwerkstruktur der Selbstorganisation und des Diskurses zu schaffen.
Im Anschluss besuchten wir die Bülow52, ein ehemals besetztes, heute von den Bewohner:innen selbstverwaltetes Haus unter dem Dach der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG. Nach einem tollen Blick von der Dachterasse auf das Berliner Stadtpanoramas ging es zu Fuß in Richtung „Rote Insel“, dem legendären, ehemals politisch sehr linken Schöneberger Ortsteil. In der Katzlerstraße13 besuchten wir ein Wohnprojekt unter dem Dach der Wohnungsgenossenschaft Bremer Höhe, die sich im Prenzlauer Berg in der Nachwendezeit aus einer Mieter:innen-Selbstverwaltungsinitiative entstanden und heute im Ost- und Westteil der Stadt Genossenschaftsprojekten ein schützendes Dach bietet. Schutz den beispielsweise die drei umkämpften Häuser Großgörschenstraße 25/26/27 / Katzlerstraße 10/11 als erster Vorkaufsfalls in einem Berliner Milieuschutzgebiet bis heute noch nicht haben, weil ihr Fall immer noch in gerichtlicher Klärung ist. Zum Abschluss des Spaziergangs ging es zum Wohnprojekt „Rote Insel“ in der Manstein10, einem ehemals besetzten Haus, heute von den Bewohner:innen selbstverwaltet unter dem Dach der kommunalen Wohnungsgesellschaft DEGEWO. Dort berichteten zwei Delegierte der von Verdrängung bedrohten, selbstverwalteten Jugendprojekte Drugstore und Potse von den jahrelangen Kämpfen und dem aktuell angebotenen Ausweichquartier im Zollhaus des Tempelhofer Flughafens. Das volle Programm fand letztlich eine gelungene Abrundung mit einer leckeren vegetarischen Küche für alle (Küfa) und angeregten Gesprächen bei einem Lagerfeuer im städtischen Hinterhof.
Die Kumi* zeigt sich lilagelb beflaggt für die Kampagne der „Deutsche Wohnen enteignen!“
Alte Autowerkstatt, neuer Möglichkeitsraum für den Verein A.U.T.O.
Gedenkstein für den 1981 tötlich verunglückten Hausbesetzer Klaus Jürgen Rattey
Wir wollen mit Gleichgesinnten aktiv werden. Hierfür haben wir am diesjährigen 1. Mai den Verein A.U.T.O. gegründet. Er ist quasi ein Geschwisterverein des Kumi*13 e.V., unseres Hausvereins – den wir nicht ganz zufällig zum selben Feiertag vor zwei Jahren gegründet haben. Während die Kumi*13 die basisdemokratische Selbstverwaltung der Immobilie Kurmärkische Straße 13 organisiert, wollen wir mit dem Verein A.U.T.O. künftig Projekte und Aktionen starten.
Unsere Motivationen für die zweite Vereinsgründung sind sehr unterschiedlich und so sind die Gestaltungspotentiale gemäß Satzung auch durchaus vielfältig angelegt. Eine wesentliche Motivation unsererseits aber ist die Entwicklung einer lebendigen Struktur und produktiven Beziehung zu Nachbarschaft und großstädtischen Außenwelt. A.U.T.O. soll Begegnungsort und Plattform für Diskurse zur solidarischen Stadtentwicklung, Kunst & Kultur, Politik und Gesellschaft werden. Unsere 300m2 große, sanierungsbedürftige Halle – einst Auto-Werkstatt – kann dabei für dieses Anliegen ein Möglichkeitsraum sein. A.U.T.O. will mit nachbarschaftlich kooperativen Kräften in den von Verdrängung und Aufwertung geprägten Schöneberger Norden wirken. Veranstaltungen und kollektive Projekte im Themenspektrum „urbane Diversität“, ,,Commons“ und ,,Selbstorganisation & Kooperation“ wollen wir mit neuen, hausprojektexternen Mitstreiter:innen, Partner:innen, fördernden Personen und Institutionen angehen. Im Sinne ,,lebendiger Denkmale“ wollen wir uns mit dem Verein auch für den Erhalt oder die Wiederherstellung kritisch der historisch-kulturellen Bausubstanz an unserem Standort widmen.
Für diese Vision haben wir die Satzung eines gemeinnützigen Vereins für Kunst & Kultur, für Bildung und Denkmalschutzes entwickelt. Die Senatsverwaltung für Finanzen (SenFin) hat in einer Vorprüfung die „Gemeinnützigkeit“ dieser Satzung bereits bestätigt. Wir haben gerade den Eintrag in das Vereinsregister beantragt, dann folgt auf Antrag der rechtliche „Freistellungsbescheid“ durch SenFin. Der Verein bietet dann allen Interessenten die Möglichkeit der Fördermitgliedschaft. Durch diese regelmäßigen Mitgliedsbeiträge oder auch durch Einzelspenden können die gemeinnützigen Vereinsaktivitäten finanziell unterstützt werden und von den Gebern steuerrechtlich geltend gemacht werden. Wir erwarten die rechtliche Anerkennung spätestens im September und freuen uns dann über ein reges Interesse.
Wir unterstützen den Anruf der Mieter:innen der Bülowstr. 94/95 und des Quartierrats im Schöneberger Norden. Die Verelendung der Hilfebedürftigen auf den Straßen unseres Kiezes ist so nicht hinnehmbar. Der Aufruf richtet sich an die politisch Verantwortlichen im Bezirk, endlich die notwendigen Räume und Hilfe bereitzustellen.
Die Regionalberatung des Mietshäuser Syndikats in Berlin-Brandenburg (MHS BB) hat auf der Basis langjähriger Erfahrungen in der Beratung von Mieter:innengemeinschaften in Bedrängnissituationen aufgrund von Kaufbestrebungen kapitalstarker Investoren sieben Forderungen für eine Stärkung des kommunalen Vorkaufsrecht ausgearbeitet. Wir finden diese Forderungen unterstützens- und verbreitenswert:
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR) veröffentlichte zwei lesenwerte Broschüren, die wir hier empfehlen wollen: „Gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik“ (2019) und das „Glossar zur gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung“ (2020). In diesen Broschüren wird im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) ausführlich auf das Mietshäuser Syndikat als „gemeinwohlorientierter Akteur“, die strukturellen Eigenschaften dieser Mieter:innen-Selbstverwaltung und den Ausschluss des Wiederverkaufs der Immobilien eingegangen. Pflichtlektüre für alle, die es bisher noch nicht wussten. Deshalb haben wir die entsprechenden Seiten herausgesucht …
Auch das Glossar verweist kurz und knapp auf die Nicht-Verkäuflichkeit der Immobilien im Mietshäuser Syndikat. Zudem möchte es mit zahlreichen neuen Begrifflichkeiten zum Nachdenken über die neuen Akteure und ihren Nutzen für die „gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung“ anregen. Wir haben einige lesenswerte Begriffe des Glossars herausgesucht:
Das Hausprojekt Kumi*13 wird mittlerweile auch in den Medien als einer dieser neuen Akteure einer alternativen Stadtentwicklung wahrgenommen. „Millieuschutz von unten“ schreibt der Berliner Tagesspiegel und berichtet im Sommer 2020 sehr angetan von den Potentialen des Projekts für den Kiez im Schöneberger Norden.
Die Kumi*13 war Teil des Berliner stadtpolitischen Initiativen-Bündnis „Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“, dass am 20. Juni zur Demonstration „Shut down Mietenwahnsinn – sicheres Zuhause für alle!“ aufgerufen hatte. Die Demo-Route führte von Potsdamer Platz in den Schöneberger Norden. Unser Kiez also! Unsere nähere Umgebung steht gegenwärtig unter enormen Veränderungsdruck. Sozio-kulturelle Einrichtungen – wie die selbstverwalteten Jugendzentren „Drugstore“ (gegründet 1972) und die „Potse“ – stehen vor dem Aus. Kapitalstarke Investorengruppen hingegen bauen augenscheinlich an jeder möglichen Straßenecke und -nische. Das wird die Atmosphäre im Schöneberger Kiez absehbar verändern. Ehrensache also, dass auch wir versucht haben den Jugendlichen der „Potse“ und der allgemeinen Nachbarschaft unsere Solidarität auszudrücken. Am Vorabend der Demonstration trafen sich einige Kumistas und entwarfen eine öffentlichkeitswirksame Idee. Die künstlerisch begabteren Hände begannen flux mit deren Umsetzung …
Hört auf die Kumi-Kids. Sie haben Recht!
rbb Abendschau Beitrag 20.Juni 2020 mit Steffi und Micha
Aufruf: „Shut down Mietenwahnsinn – sicheres Zuhause für alle!“ Juni 2020
Seit Jahren erleben wir in unseren Städten eine Mieten- und
Wohnungskrise. Die “Wohnungs- und Immobilienmärkte” sind auf die
Profitinteressen von Investor*innen, Vermieter*innen und Eigentümer*innen
ausgerichtet. Sie versagen schon lange dabei, ausreichend bezahlbare Wohnungen,
Gewerberäume, soziale und kulturelle Räume bereitzustellen. Die
COVID-19-Pandemie verschärft diese Krise dramatisch. Doch selbst jetzt müssen
noch Menschen auf der Straße oder in Sammelunterkünften leben.
Spätestens seit der letzten Finanzkrise hat die Wohnungs-
und Immobilienwirtschaft Gewinne über Gewinne aufgehäuft. Die Rechnung haben
wir Mieter*innen bezahlt. Auch jetzt sollen die Mieten weiter fließen, selbst
wenn unsere Einkommen eingebrochen sind.
Die Bundesregierung garantiert – auf Kosten der
Allgemeinheit – die Mietsteigerungen der letzten Jahre mit Transferleistungen.
Bis Ende Juni gibt es auch einen coronabedingten Kündigungs-Aufschub. Aber wie
sollen wir später Mietschulden zurückzahlen, wenn wir uns die Miete schon jetzt
kaum leisten können? Und wenn die Regierung selbst diesen unzureichenden
Kündigungs-Aufschub nicht verlängert, drohen ab Herbst erneut Zwangsräumungen
und eine Verdrängungswelle.
Wir sagen: Shut down Mietenwahnsinn – sicheres Zuhause
für alle!
Statt den Vermieter*innen ihre Einnahmen und Gewinne
abzusichern, müssen wir die Notbremse ziehen, damit die Mietenkrise nicht zu
einer sozialen Katastrophe eskaliert. Dabei geht es nicht nur um unser Wohnen,
sondern auch um unsere Läden, Kneipen, Kulturorte und sozialen Zentren, die
schon jetzt um ihre Existenz fürchten. Deshalb fordern wir:
1) Mietschulden erlassen
Mietschuldenerlass bei Wohnraum und Kleingewerbe statt Subventionen für hohe
Mieten und Finanzinvestor*innen!
3) Wohnungen für alle!
Wohnungslose und Geflüchtete in Wohnungen unterbringen! Zwangsräumungen,
Versorgungssperren und Kündigungen verhindern!
Dafür wollen wir am 20. Juni 2020 bundesweit auf die Straße
gehen. Wir rufen alle Organisationen und Initiativen dazu auf, sich mit
Kundgebungen und kreativen Aktionen zu beteiligen. Machen wir Druck für eine
soziale Krisenlösung und gegen die fortgesetzte Umverteilung von unten nach
oben!
Aktionsbündnis gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn
Wir danken Pastor Leumund für seine real-dadaistischen Weissagungen und den historischen Moment der „Weihe“ unseres Hausprojekts am „Tag der offenen Tür und offenen Fragen“ im Dezember 2019. Allen Ungläubigen sprühte er aus weißen Toilettenbürsten das Weihwasser um die Ohren … „Tatsache ist doch, dass alle Kippen kaufen anstatt das Kaufen zu kippen!“ Wir werden bei Gelegenheit und mit tiefen Lungenzügen im Rauchereck nochmals darüber diskutieren. Weitere Weisheiten aus der Predigt von Pastete Leumund konnten festgehalten werden …
„Alle wissen wie man´s macht, ich mache es anders! Heute ist es modern vor sich hin zu modern. Heute gilt es als schick mit ´nem Knick im Genick … Langeweile macht erst Sinn, wenn ich weggegangen bin! Das System sollte sich was schäm´!“
„Außerplanetarische Opposition! Hier Kurmärkische 13! Die Menscheit verhält sich seltsam. Gegen die Kälte der Verhältnisse hält nur ein dickes Fell warm. Ich find´generell das Modell arm. Aliens welcome! Für immer und immer im inneren Fernsehzimmer verschlimmern sich geschwindelte Hoffnungsschimmer. Sind die Gedanken frei? Oder sind wir vom Brainwash high?“
„Alle zahlen kräftig drauf beim Planetenschlussverkauf. Die letzte Hoffnung ist Flöten. Die Trübsaal will uns einen Blasen. Das war die Zukunft Wir schreiben Gott einen Brief, denn hier läufts perspektiv schief. Ich glaub´ ich wander mal ins Neandertal …“
Was der Pastor aber selbst noch nicht weiß: Er muss ‚mal wieder kommen. Er hat hier seinen „Schmetterling aus Beton“ vergessen.
Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung Ende November 2019 wurde die heranwachsende Gruppe mit zahlreichen Beitritten in den „Hausverein Kumi*13“ rechtlich bestätigt. Wurde der Hausverein am 1. Mai 2019 unter dem rasanten Schwung der Ereignisse formal von Antonia, Steffi, Lisa, Micha, Simon, Yves und Holger gegründet, traten am 29. November dem Hausverein offiziell auch Susanne, Alice, Hanna, Anna M., Anna H., Ruschka, Jakob, Marco und Franz bei. Mit dem formalen Beitritt in den Hausverein erhielten alle Mitglieder verbindlich ein persönliches Recht auf Wohnen im Haus und eine gleichberechtigte Stimme bei der Gestaltung des Projekts Kumi*13. Im Selbstverständnis der Kumi*13 zur eigenen Entstehungsgeschichte erweiterte sich die Gruppe damals zum 1. Mal um vier weitere Personen. Es war ein wirklich guter Grund die Tassen einmal richtig hochzuheben und zu lächeln …
Die Kumi*13 ist das 20. Hausprojekt des Mietshäuser Syndikats in Berlin. Für uns ein wundersamer Glücksfall. Doch nicht alle Gruppen, die eine Immobilie als Gemeingut in Selbstverwaltung entwickeln wollen, haben dieses „Glück“. Es gibt mittlerweile ein Netzwerk von Initiativen, die seit vielen Jahren sich engagiert, aber vergeblich bemühen in Vergabeverfahren eine Immobilie erwerben und entwickeln zu können. Aus ihren Erfahrungen haben sie einen stadtpolitisch relevanten Forderungskatalog aufgestellt. „Gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung“ sollte nicht nur in ministerialen Hochglanz-Broschüren propagiert werden, nein, für ihre Akteure müssen auch lokalpolitische und verwaltungsrechtliche „Weichen“ richtig eingestellt sein. Die Kumi*13 unterstützt den Aufruf der Initiativen …
Aufruf: Wir Hausprojektinitiativen des Mietshäuser Syndikats (MHS) unterstützen den Ansatz des Berliner Senats und vieler Bezirke, der aktuellen Wohnungsnot und Mietenkrise mit einer Doppelstrategie zu begegnen. Neubau sowie Stabilisierung der Sozialräume und Kieze sind notwendige Maßnahmen für den Erhalt und die Weiterentwicklung einer sozialen Stadt. Wesentlich für die Stabilität der Kieze ist unter anderem eine möglichst große Vielfalt an Wohnungsmarktakteur*innen. Neben dem Ausbau des kommunalen Bestands erachten wir die besondere Förderung und Unterstützung gemeinwohlorientierter Organisationen als dringend erforderlich. Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen ist es insbesondere den MHS-Initiativen nicht mehr möglich, Neubauprojekte in Berlin zu verwirklichen.
Damit MHS-Projekte Teil der stabilisierenden Vielfalt auf dem
Berliner Wohnungsmarkt sein können, müssen die folgenden zehn
Forderungen erfüllt sein:
MHS-Initiativen müssen klassischen Genossenschaften beim Zugriff auf Flächen und Fördermittel gleichgestellt sein.
Jegliche Vergabeverfahren müssen den dauerhaften Erhalt von
Mietwohnungen bzw. eine Mietpreisbindung und die Vermeidung von
Individualeigentum zum Ziel haben.
Der Erbpachtzins muss residual (d.h. ausgehend von der gewünschten Miete) festgelegt statt am Bodenrichtwert orientiert werden.
Geförderte Wohnungen (mit Wohnberechtigungsschein) müssen
mit zinslosen Darlehen in Höhe der tatsächlichen Baukosten gefördert
werden.
Anfallende Kosten in der Bewerbungs- oder Wettbewerbsphase
von Vergabeverfahren müssen vermieden, niedrig gedeckelt oder
bezuschusst werden.
Konzeptverfahren müssen als dialogisch geführte Anhandgabeverfahren durchgeführt werden.
Konzeptverfahren müssen nach rein inhaltlichen Kriterien gestaltet werden, frei von finanziellem Wettbewerb.
Risiken (bspw. Altlasten) müssen in der Erbpachtvergabe von den Vergebenden getragen werden.
Vor der Vergabe muss Planungssicherheit bestehen und Kosten
für die Herstellung der Bebaubarkeit müssen von den Vergebenden getragen
werden.
Zum Erreichen eines sozial vertretbaren Mietpreises muss die Förderlandschaft insgesamt verbessert werden.
Vertiefende Erläuterungen:
Zu 1.: MHS-Initiativen müssen klassischen Genossenschaften beim Zugriff auf Flächen und Fördermittel gleichgestellt sein
MHS-Projekte und
Genossenschaften weisen in ihrer Zielsetzung große Gemeinsamkeiten auf:
Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung durch die
Bewohner*innen ohne die Absicht, Rendite zugunsten Dritter zu erzielen.
Das MHS-Modell stellt zusätzlich sicher, dass der geschaffene Wohnraum
in vollem Umfang zu dauerhaft günstigen Mieten erhalten bleibt. Beide
Modelle können eine vergleichbare Rolle bei der sozialen Stabilisierung
und Entwicklung der Stadt spielen, setzen aber unterschiedliche
Schwerpunkte. Günstige Mietpreise sind ein zentrales Kriterium in den
Konzeptverfahren und langfristig gesicherte Mietpreise gleichzeitig ein
zentrales Anliegen des Mietshäuser Syndikats. Ohne vergleichbaren Zugang
zu Fördermitteln entsteht den MHS-Initiativen jedoch ein starker
Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu Genossenschaften und anderen
Modellen
Zu 2.: Jegliche Vergabeverfahren müssen den
dauerhaften Erhalt von Mietwohnungen bzw. eine Mietpreisbindung und die
Vermeidung von Individualeigentum zum Ziel haben.
Land und Bezirke müssen für alle
Entwicklungsgebiete und Grundstücke klare Ziele und inhaltliche
Schwerpunkte formulieren. Die Garantie eines dauerhaften Erhalts von
Mietwohnungen sollte hierbei einen hohen Stellenwert einnehmen und
hinsichtlich der Vergabe entsprechend hoch bewertet werden. Übererfüllen
von Kriterien (bspw. dauerhafte Mietpreisbindung statt im Verfahren
geforderter 30 Jahre) müssen sich in der Bewertungsmatrix abbilden und
zu einer positiveren Bewertung führen. Dies wäre ein nachhaltiger
Beitrag zur langfristigen Stabilisierung des Berliner Mietmarkts.
Zu 3.: Der Erbpachtzins muss residual (d.h. ausgehend von der
gewünschten Miete) festgelegt statt am Bodenrichtwert orientiert
werden.
Erbbaupachtverträge eignen sich
gut, um gemeinsame Interessen und Ziele von Stadt, Bezirken, Kiezen und
Organisationen wie dem MHS inhaltlich differenziert, konkret und
dauerhaft festzuschreiben und zu verfolgen. Dort, wo am Gemeinwohl
orientierte Zwecke und Ziele verfolgt werden, sollte die öffentliche
Hand keine weiteren Verwertungsinteressen wie zusätzliche finanzielle
Erlöse durch ertragsreiche Verkaufspreise oder einen hohen Erbpachtzins
anstreben. Nur durch eine residual angelegte Zinshöhe jenseits von
Bodenrichtwert, Preissteigerungen und anderen Marktaspekten sind
sozialverträgliche Mieten und andere im Erbbaupachtvertrag
festgeschriebene Ziele erreichbar und dauerhaft möglich.
Zu 4.: Geförderte Wohnungen (mit Wohnberechtigungsschein)
müssen mit zinslosen Darlehen in Höhe der tatsächlichen Baukosten
gefördert werden.
Während die aktuellen Baukosten
für MHS-Projekte bei ca 2.600 bis 4.000 €/m² Wohnfläche liegen, stellt
die Wohnungsbauförderung ein Darlehen über max 1.300 €/m² bereit. Die
verbleibende Lücke muss anderweitig finanziert werden, da die
Mieteinnahmen im geförderten Wohnraum diese nicht füllen können. Dies
führt dazu, dass es zu einer Querfinanzierung durch die Mieter*innen in
den nicht geförderten Wohnungen kommt und die Mieten der frei
finanzierten Wohnungen in der Folge zwangsläufig ansteigen.
Insbesondere, wenn der Anteil der geförderten Wohnungen in einem
Neubauprojekt über den Minimalforderungen liegt, steigen die Mieten der
nicht-geförderten Wohnungen erheblich (aktuell bis weit über 20€/m²).
Einerseits halten wir einen hohen Anteil an gefördertem Wohnraum für
richtig und notwendig, andererseits führt die beschriebene Dynamik
potenziell zu einer großen Spreizung an Miethöhen innerhalb eines Hauses
und macht eine gute soziale Durchmischung im Haus schwierig, wenn nicht
unmöglich. Eine Erhöhung des Förderdarlehens pro m² Wohnraum mit Blick
auf die tatsächlichen Baukosten halten wir daher für dringend notwendig –
vor allem bei Projekten, die mehr als 30% geförderte Wohnfläche
schaffen.
Zu 5.: Anfallende Kosten in der Bewerbungs- oder
Wettbewerbsphase von Vergabeverfahren müssen vermieden, niedrig
gedeckelt oder bezuschusst werden.
Aufgrund des speziellen
Gesellschafts- und Finanzierungsmodells von MHS-Projekten bedeuten hohe
Kosten in den ersten Stufen eines Vergabeverfahrens eine besondere
Belastung für die teilnehmenden Initiativen sowie Einzelpersonen in den
Initiativen. Das entstehende finanzielle Risiko stellt eine große Hürde
für die Teilnahme an Vergabeverfahren dar.
Zu 6.: Konzeptverfahren müssen als dialogisch geführte Anhandgabeverfahren durchgeführt werden.
MHS-Projekte und andere
gemeinwohlorientierte Akteure benötigen einen niedrigschwelligen
Einstieg in Vergabeverfahren ohne hohe Vorkosten (z.B. lediglich
Erstellung von Grobkonzept und Bauskizzen). Im zweiten Schritt kann eine
gemeinsame Entwicklung des konkreten Konzepts mit der zuständigen
Vergabestelle in einem dialogischen Prozess erfolgen. So wird erreicht,
dass erst nach dem Zuschlag größere Kosten anfallen. Dialogisch
durchgeführte Anhandgabeverfahren bieten den großen Vorteil, dass auf
dem Weg zum Projekt bei allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis
für Interessen und Ziele der jeweils anderen entsteht, ebenso wie über
die Bedingungen und Möglichkeiten ihrer Umsetzung.
Zu 7.: Konzeptverfahren müssen nach rein inhaltlichen Kriterien gestaltet werden, frei von finanziellem Wettbewerb.
Sobald finanzielle Aspekte wie
Kaufpreis oder Erbpachtzinshöhe in die Bewertungsmatrix eines
Vergabeverfahrens einfließen, werden die inhaltlichen Ziele in zweierlei
Hinsicht verwässert und geschwächt. Zum einen kann ein höherer
finanzieller Beitrag bei ähnlicher Bewertung der Inhalte immer den
Ausschlag für den Wettbewerbsgewinn geben und damit das inhaltlich
bessere Konzept scheitern lassen. Zum anderen muss die zusätzliche
finanzielle Belastung durch einen finanziellen Wettbewerb im
Vergabeverfahren immer entweder durch Abstriche im sozialen Konzept oder
eine zusätzliche finanzielle Belastung der Bewohner*innen durch erhöhte
Mietpreise ausgeglichen werden. Somit bedeutet finanzieller Wettbewerb
immer eine Schwächung sozialer Ziele und dauerhaft günstiger Mieten.
Risiken (bspw. Altlasten) müssen in der Erbpachtvergabe von den Vergebenden getragen werden.
Zu 8.: Risiken wie Altlasten im Boden dürfen ein soziales Wohnprojekt und dessen übergeordnete Ziele nicht gefährden.
Selbst wenn der Risikofall nicht
eintritt, führen mögliche Altlasten und andere Risiken zu veränderten
Kreditbedingungen und direkten finanziellen Belastungen wie z.B. zu
einem erhöhten Eigenkapitalbedarf.
Zu 9.: Vor der Vergabe muss Planungssicherheit bestehen und
Kosten für die Herstellung der Bebaubarkeit müssen von den Vergebenden
getragen werden.
Um gemeinwohlorientierten
Akteuren wie dem MHS die Entwicklung von sozialen Wohnungsbauprojekten
im Rahmen von Vergabeverfahren zu ermöglichen, muss vor der Vergabe
Planungssicherheit hergestellt werden. Fehlende Planungssicherheit,
bspw. durch fehlende Bebauungsplanung oder fehlende Angaben zur
Bebaubarkeit von Grundstücken, machen konkrete Vorhaben unkalkulierbar
und stellen daher ein hohes finanzielles Risiko dar. Dieses Risiko
können kleine und projektbezogen agierende Akteure wie das MHS nicht
tragen.
Zu 10.: Zum Erreichen eines sozial vertretbaren Mietpreises muss die Förderlandschaft insgesamt verbessert werden.
Selbst bei optimaler Ausnutzung
der vorhandenen Möglichkeiten können in der aktuellen Förderlandschaft
strukturell und finanziell bedingt keine dauerhaft bezahlbaren, sozial
verträglichen Mietpreise erzielt werden. Dies gilt insbesondere für
nicht mietpreisgebundene, sondern frei finanzierte Wohnungen im Neubau.
Probleme ergeben sich beispielsweise durch die Höhe der aktuellen
Zinssätze und die Bedingungen für verschiedene Fördermittel und Kredite.
Im Kontext vergangener Vergabeverfahren und anderer Projektansätze sind
verschiedene Initiativen des MHS übereinstimmend zu diesem Ergebnis
gekommen. Eine grundlegende Analyse und die nachfolgende
Neustrukturierung der Förderlandschaft in Gänze ist aus Sicht des MHS
dringend nötig und sollte zusätzlich zur Umsetzung der hier formulierten
Forderungen erfolgen.
Berlin, August 2019
Akteure der neun Initiativen des Mietshäuser Syndikats in Berlin