Das Hausprojekt Kumi*13 unterstützt die Forderungen der Berliner Initiativen des Mietshäuser Syndikats!

Das Hausprojekt Kumi*13 unterstützt die Forderungen der Berliner Initiativen des Mietshäuser Syndikats!

Die Kumi*13 ist das 20. Hausprojekt des Mietshäuser Syndikats in Berlin. Für uns ein wundersamer Glücksfall. Doch nicht alle Gruppen, die eine Immobilie als Gemeingut in Selbstverwaltung entwickeln wollen, haben dieses „Glück“. Es gibt mittlerweile ein Netzwerk von Initiativen, die seit vielen Jahren sich engagiert, aber vergeblich bemühen in Vergabeverfahren eine Immobilie erwerben und entwickeln zu können. Aus ihren Erfahrungen haben sie einen stadtpolitisch relevanten Forderungskatalog aufgestellt. „Gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung“ sollte nicht nur in ministerialen Hochglanz-Broschüren propagiert werden, nein, für ihre Akteure müssen auch lokalpolitische und verwaltungsrechtliche „Weichen“ richtig eingestellt sein. Die Kumi*13 unterstützt den Aufruf der Initiativen …

Aufruf: Wir Hausprojektinitiativen des Mietshäuser Syndikats (MHS) unterstützen den Ansatz des Berliner Senats und vieler Bezirke, der aktuellen Wohnungsnot und Mietenkrise mit einer Doppelstrategie zu begegnen. Neubau sowie Stabilisierung der Sozialräume und Kieze sind notwendige Maßnahmen für den Erhalt und die Weiterentwicklung einer sozialen Stadt. Wesentlich für die Stabilität der Kieze ist unter anderem eine möglichst große Vielfalt an Wohnungsmarktakteur*innen. Neben dem Ausbau des kommunalen Bestands erachten wir die besondere Förderung und Unterstützung gemeinwohlorientierter Organisationen als dringend erforderlich. Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen ist es insbesondere den MHS-Initiativen nicht mehr möglich, Neubauprojekte in Berlin zu verwirklichen.

Damit MHS-Projekte Teil der stabilisierenden Vielfalt auf dem Berliner Wohnungsmarkt sein können, müssen die folgenden zehn Forderungen erfüllt sein:

  1. MHS-Initiativen müssen klassischen Genossenschaften beim Zugriff auf Flächen und Fördermittel gleichgestellt sein.
  2. Jegliche Vergabeverfahren müssen den dauerhaften Erhalt von Mietwohnungen bzw. eine Mietpreisbindung und die Vermeidung von Individualeigentum zum Ziel haben.
  3. Der Erbpachtzins muss residual (d.h. ausgehend von der gewünschten Miete) festgelegt statt am Bodenrichtwert orientiert werden.
  4. Geförderte Wohnungen (mit Wohnberechtigungsschein) müssen mit zinslosen Darlehen in Höhe der tatsächlichen Baukosten gefördert werden.
  5. Anfallende Kosten in der Bewerbungs- oder Wettbewerbsphase von Vergabeverfahren müssen vermieden, niedrig gedeckelt oder bezuschusst werden.
  6. Konzeptverfahren müssen als dialogisch geführte Anhandgabeverfahren durchgeführt werden.
  7. Konzeptverfahren müssen nach rein inhaltlichen Kriterien gestaltet werden, frei von finanziellem Wettbewerb.
  8. Risiken (bspw. Altlasten) müssen in der Erbpachtvergabe von den Vergebenden getragen werden.
  9. Vor der Vergabe muss Planungssicherheit bestehen und Kosten für die Herstellung der Bebaubarkeit müssen von den Vergebenden getragen werden.
  10. Zum Erreichen eines sozial vertretbaren Mietpreises muss die Förderlandschaft insgesamt verbessert werden.

Vertiefende Erläuterungen:

Zu 1.: MHS-Initiativen müssen klassischen Genossenschaften beim Zugriff auf Flächen und Fördermittel gleichgestellt sein

MHS-Projekte und Genossenschaften weisen in ihrer Zielsetzung große Gemeinsamkeiten auf: Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung durch die Bewohner*innen ohne die Absicht, Rendite zugunsten Dritter zu erzielen. Das MHS-Modell stellt zusätzlich sicher, dass der geschaffene Wohnraum in vollem Umfang zu dauerhaft günstigen Mieten erhalten bleibt. Beide Modelle können eine vergleichbare Rolle bei der sozialen Stabilisierung und Entwicklung der Stadt spielen, setzen aber unterschiedliche Schwerpunkte. Günstige Mietpreise sind ein zentrales Kriterium in den Konzeptverfahren und langfristig gesicherte Mietpreise gleichzeitig ein zentrales Anliegen des Mietshäuser Syndikats. Ohne vergleichbaren Zugang zu Fördermitteln entsteht den MHS-Initiativen jedoch ein starker Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu Genossenschaften und anderen Modellen

Zu 2.: Jegliche Vergabeverfahren müssen den dauerhaften Erhalt von Mietwohnungen bzw. eine Mietpreisbindung und die Vermeidung von Individualeigentum zum Ziel haben.

Land und Bezirke müssen für alle Entwicklungsgebiete und Grundstücke klare Ziele und inhaltliche Schwerpunkte formulieren. Die Garantie eines dauerhaften Erhalts von Mietwohnungen sollte hierbei einen hohen Stellenwert einnehmen und hinsichtlich der Vergabe entsprechend hoch bewertet werden. Übererfüllen von Kriterien (bspw. dauerhafte Mietpreisbindung statt im Verfahren geforderter 30 Jahre) müssen sich in der Bewertungsmatrix abbilden und zu einer positiveren Bewertung führen. Dies wäre ein nachhaltiger Beitrag zur langfristigen Stabilisierung des Berliner Mietmarkts.

Zu 3.: Der Erbpachtzins muss residual (d.h. ausgehend von der gewünschten Miete) festgelegt statt am Bodenrichtwert orientiert werden.

Erbbaupachtverträge eignen sich gut, um gemeinsame Interessen und Ziele von Stadt, Bezirken, Kiezen und Organisationen wie dem MHS inhaltlich differenziert, konkret und dauerhaft festzuschreiben und zu verfolgen. Dort, wo am Gemeinwohl orientierte Zwecke und Ziele verfolgt werden, sollte die öffentliche Hand keine weiteren Verwertungsinteressen wie zusätzliche finanzielle Erlöse durch ertragsreiche Verkaufspreise oder einen hohen Erbpachtzins anstreben. Nur durch eine residual angelegte Zinshöhe jenseits von Bodenrichtwert, Preissteigerungen und anderen Marktaspekten sind sozialverträgliche Mieten und andere im Erbbaupachtvertrag festgeschriebene Ziele erreichbar und dauerhaft möglich.

Zu 4.: Geförderte Wohnungen (mit Wohnberechtigungsschein) müssen mit zinslosen Darlehen in Höhe der tatsächlichen Baukosten gefördert werden.

Während die aktuellen Baukosten für MHS-Projekte bei ca 2.600 bis 4.000 €/m² Wohnfläche liegen, stellt die Wohnungsbauförderung ein Darlehen über max 1.300 €/m² bereit. Die verbleibende Lücke muss anderweitig finanziert werden, da die Mieteinnahmen im geförderten Wohnraum diese nicht füllen können. Dies führt dazu, dass es zu einer Querfinanzierung durch die Mieter*innen in den nicht geförderten Wohnungen kommt und die Mieten der frei finanzierten Wohnungen in der Folge zwangsläufig ansteigen. Insbesondere, wenn der Anteil der geförderten Wohnungen in einem Neubauprojekt über den Minimalforderungen liegt, steigen die Mieten der nicht-geförderten Wohnungen erheblich (aktuell bis weit über 20€/m²). Einerseits halten wir einen hohen Anteil an gefördertem Wohnraum für richtig und notwendig, andererseits führt die beschriebene Dynamik potenziell zu einer großen Spreizung an Miethöhen innerhalb eines Hauses und macht eine gute soziale Durchmischung im Haus schwierig, wenn nicht unmöglich. Eine Erhöhung des Förderdarlehens pro m² Wohnraum mit Blick auf die tatsächlichen Baukosten halten wir daher für dringend notwendig – vor allem bei Projekten, die mehr als 30% geförderte Wohnfläche schaffen.

Zu 5.: Anfallende Kosten in der Bewerbungs- oder Wettbewerbsphase von Vergabeverfahren müssen vermieden, niedrig gedeckelt oder bezuschusst werden.

Aufgrund des speziellen Gesellschafts- und Finanzierungsmodells von MHS-Projekten bedeuten hohe Kosten in den ersten Stufen eines Vergabeverfahrens eine besondere Belastung für die teilnehmenden Initiativen sowie Einzelpersonen in den Initiativen. Das entstehende finanzielle Risiko stellt eine große Hürde für die Teilnahme an Vergabeverfahren dar.

Zu 6.: Konzeptverfahren müssen als dialogisch geführte Anhandgabeverfahren durchgeführt werden.

MHS-Projekte und andere gemeinwohlorientierte Akteure benötigen einen niedrigschwelligen Einstieg in Vergabeverfahren ohne hohe Vorkosten (z.B. lediglich Erstellung von Grobkonzept und Bauskizzen). Im zweiten Schritt kann eine gemeinsame Entwicklung des konkreten Konzepts mit der zuständigen Vergabestelle in einem dialogischen Prozess erfolgen. So wird erreicht, dass erst nach dem Zuschlag größere Kosten anfallen. Dialogisch durchgeführte Anhandgabeverfahren bieten den großen Vorteil, dass auf dem Weg zum Projekt bei allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis für Interessen und Ziele der jeweils anderen entsteht, ebenso wie über die Bedingungen und Möglichkeiten ihrer Umsetzung.

Zu 7.: Konzeptverfahren müssen nach rein inhaltlichen Kriterien gestaltet werden, frei von finanziellem Wettbewerb.

Sobald finanzielle Aspekte wie Kaufpreis oder Erbpachtzinshöhe in die Bewertungsmatrix eines Vergabeverfahrens einfließen, werden die inhaltlichen Ziele in zweierlei Hinsicht verwässert und geschwächt. Zum einen kann ein höherer finanzieller Beitrag bei ähnlicher Bewertung der Inhalte immer den Ausschlag für den Wettbewerbsgewinn geben und damit das inhaltlich bessere Konzept scheitern lassen. Zum anderen muss die zusätzliche finanzielle Belastung durch einen finanziellen Wettbewerb im Vergabeverfahren immer entweder durch Abstriche im sozialen Konzept oder eine zusätzliche finanzielle Belastung der Bewohner*innen durch erhöhte Mietpreise ausgeglichen werden. Somit bedeutet finanzieller Wettbewerb immer eine Schwächung sozialer Ziele und dauerhaft günstiger Mieten.
Risiken (bspw. Altlasten) müssen in der Erbpachtvergabe von den Vergebenden getragen werden.

Zu 8.: Risiken wie Altlasten im Boden dürfen ein soziales Wohnprojekt und dessen übergeordnete Ziele nicht gefährden. 

Selbst wenn der Risikofall nicht eintritt, führen mögliche Altlasten und andere Risiken zu veränderten Kreditbedingungen und direkten finanziellen Belastungen wie z.B. zu einem erhöhten Eigenkapitalbedarf.

Zu 9.: Vor der Vergabe muss Planungssicherheit bestehen und Kosten für die Herstellung der Bebaubarkeit müssen von den Vergebenden getragen werden.

Um gemeinwohlorientierten Akteuren wie dem MHS die Entwicklung von sozialen Wohnungsbauprojekten im Rahmen von Vergabeverfahren zu ermöglichen, muss vor der Vergabe Planungssicherheit hergestellt werden. Fehlende Planungssicherheit, bspw. durch fehlende Bebauungsplanung oder fehlende Angaben zur Bebaubarkeit von Grundstücken, machen konkrete Vorhaben unkalkulierbar und stellen daher ein hohes finanzielles Risiko dar. Dieses Risiko können kleine und projektbezogen agierende Akteure wie das MHS nicht tragen.

Zu 10.: Zum Erreichen eines sozial vertretbaren Mietpreises muss die Förderlandschaft insgesamt verbessert werden.

Selbst bei optimaler Ausnutzung der vorhandenen Möglichkeiten können in der aktuellen Förderlandschaft strukturell und finanziell bedingt keine dauerhaft bezahlbaren, sozial verträglichen Mietpreise erzielt werden. Dies gilt insbesondere für nicht mietpreisgebundene, sondern frei finanzierte Wohnungen im Neubau. Probleme ergeben sich beispielsweise durch die Höhe der aktuellen Zinssätze und die Bedingungen für verschiedene Fördermittel und Kredite. Im Kontext vergangener Vergabeverfahren und anderer Projektansätze sind verschiedene Initiativen des MHS übereinstimmend zu diesem Ergebnis gekommen. Eine grundlegende Analyse und die nachfolgende Neustrukturierung der Förderlandschaft in Gänze ist aus Sicht des MHS dringend nötig und sollte zusätzlich zur Umsetzung der hier formulierten Forderungen erfolgen.

Berlin, August 2019

Akteure der neun Initiativen des Mietshäuser Syndikats in Berlin

Webseite des Netzwerks Berliner Initiativen des Mietshäuser Syndikats

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